"Not nicht gegen Not aufrechnen"

Angesichts der Diskussion um die Kosten für Flüchtlingshilfe in Österreich appelliert Caritas-Direktor Franz Küberl an die Solidarität der Menschen. „Wir erleben das größte Flüchtlingsdrama seit dem zweiten Weltkrieg, und wir erleben es vor unserer Haustür. Wir erleben gleichzeitig ein wunderbares Engagement der Zivilgesellschaft, die bereit ist, diese Menschen zu unterstützen. Was nun nicht geschehen darf, ist, dass wir Not gegen Not aufrechnen und Hilfsbedürftige gegeneinander ausspielen. Wir müssen gleichermaßen die Not und Sorgen der Menschen in Österreich im Auge behalten wie wir jenen Schutz und Hilfe bieten, die vor Krieg und Elend flüchten.“

Kritik übt der Caritas-Direktor an Vorfällen, bei denen Asylbewerber von den Behörden ohne Versorgung sich selbst überlassen wurden: „Es ist unverantwortlich, Asylwerber nach der Ersteinvernahme wieder auf die Straße zu schicken und die Quartiersuche ihnen zu überlassen. Ehrlich gestanden, habe ich schon die Erwartung, dass die Bundes- und Landesbehörden endlich beginnen, hier zu kooperieren. Schließlich geht es um Menschen.“

Küberl begrüßte die Entscheidung der G7- und weiterer Regierungen, darunter auch Golfstaaten, die Hilfsgelder für die vom Syrienkonflikt betroffenen Länder um 1,8 Milliarden Dollar aufzustocken. Zur Finanzierung dieser Hilfe erinnert er an die ursprüngliche Idee zur Einführung der Finanztransaktionssteuer, diese Gelder zur Verbesserung der Entwicklungshilfe und zur Bewältigung von Fluchtbewegungen und ihren Folgen einzusetzen.

Das jetzt zugesagte Geld soll über die UNHCR auch in die Konfliktregion gehen. „Es ist ein wichtiger Schritt, die Länder und Regionen zu stärken, die zurzeit sehr viele Flüchtlinge unterbringen, wie Jordanien, Libanon, Ägypten oder die Türkei“, hält Küberl fest. „Es ist eine kleine Wiedergutmachung für die fatale Entscheidung der reichen Staaten, dem World Food Programme Geld für die Versorgung der Flüchtlinge zu entziehen. Der Wegfall dieser Hilfsgelder war ja ausschlaggebend für die Massenflucht verzweifelter Menschen nach Europa.“

Es gehe nun stark darum, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern. „Das ändert aber nichts daran, dass wir die Menschen, die jetzt bei uns sind und zu uns kommen, unterstützen und menschlich behandeln müssen“, hält Küberl fest. „Sie haben genauso ein Recht, als Menschen gesehen zu werden und Hilfe zu erfahren, wie Menschen im Lande, die Unterstützung benötigen.“

Europa und die reichen westlichen Staaten seien zudem gefordert, eine nachhaltige Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingswelle zu erarbeiten. „Flucht und Wanderung werden sicher die nächsten 20 Jahre anhalten“, gibt der Caritas-Direktor zu bedenken. Daher sei es wichtig, eine förderliche Integrationskultur zu entwickeln und das zivilgesellschaftliche Engagement, das sich in der Flüchtlingshilfe zeige, zu bewahren.