Kerzen und ein Plakat erinnern am Grazer Hauptplatz an verstorbene Drogengebraucher*innen

© Caritas

Zu viele Tote, zu viele Vorurteile: Eine Minute Stille für Verstorbene nach Drogenkonsum

Eine Minute des stillen Gedenkens widmen die österreichischen Suchthilfeorganisationen* am 21. Juli den vielen Menschen, die nach Drogenkonsum verstorben sind. Die jüngste verfügbare Statistik zeigt für 2023 mit 256 direkt drogenbezogenen Todesfällen in Österreich einen neuen traurigen Höchstwert der vergangenen zehn Jahre. „Diese hohe Zahl macht deutlich, dass weiterhin großer Handlungsbedarf besteht“, so die Vertreter*innen der Organisationen*. Dabei sei wesentlich, die Sucht als Erkrankung anzuerkennen, um Prävention und Versorgung zu verbessern und gegen Diskriminierung der suchterkrankten Menschen zu wirken.

Österreichweite Stille

Am 21. Juli um 16:00 Uhr werden Organisationen der Suchthilfe* von Bregenz bis Wien mit einer Schweigeminute ihrer verstorbenen Klient*innen gedenken. In Graz findet das Gedenken am Hauptplatz statt. Die gemeinsame Erinnerung soll auf ihr Schicksal aufmerksam machen. „Es geht aber auch darum, politisch und gesellschaftlich die Weichen für eine verbesserte Suchthilfe zu stellen“, wünscht sich Harald Ploder, Leiter von Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich in Graz.

Erkrankung, nicht Schwäche

Sucht als Erkrankung zu sehen und nicht als persönliche Schwäche ist die Voraussetzung für eine Vielzahl an Maßnahmen, die Menschen mit Suchterkrankung ein menschenwürdiges und langes Leben ermöglichen – frei von Stigmatisierung und Diskriminierung. Dabei gehe es um die Bereitstellung von passgenauen Harm-Reduction-Angeboten, ausreichend medizinischer Versorgung und psychosozialer Begleitung, sowie Angeboten, die den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben ermöglichen.

Wichtige Ansätze schon realisiert 

In vielen Bundesländern sind bereits entscheidende Ansätze realisiert: So gibt es in einigen Bundesländern die Möglichkeit für Konsument*innen von psychoaktiven Substanzen, Suchtmittelproben auf Inhaltsstoffe und Wirkstoffgehalt analysieren lassen. Das sogenannte Drug Checking/ Substanzanalyse hat sich als wichtiges Instrument für die Reduzierung von Risiken und Schäden erwiesen. „Erfreulich ist, dass mit Oberösterreich und Kärnten bald zwei weitere Bundesländer dazukommen werden!“ sagt dazu Thomas Labacher, Geschäftsfeldleiter Sucht bei pro mente OÖ. 

Wohnversorgung bis Therapiemöglichkeit

Wie wichtig die unkomplizierte Wohnversorgung von wohnungslosen Suchterkrankten ist, betonen Dominik Ziegler und Matthias Waldhart, Leitungsteam der Notschlafstelle Mentlvilla in Innsbruck: „Wir bieten den Menschen nicht nur einen Schlafplatz, sondern auch Verständnis für ihre Situation und spezialisierte Hilfe an”. Niedrigschwellige Anlaufstellen mit Spritzentausch gibt es zumindest in einigen Städten, jedoch kaum in den ländlichen Regionen. Besteht der Wunsch den Drogenkonsum zu beenden, kann man sich an unterschiedliche Therapieeinrichtungen wenden, es muss allerdings mit langen Wartezeiten gerechnet werden. 

Finanzierung und Erreichbarkeit 

Die Organisationen fordern zum Gedenktag von den Verantwortlichen in den Ländern und im Bund, bestehende Angebote abzusichern und auszubauen. Es wäre wünschenswert, eine flächendeckende Erreichbarkeit zu schaffen, die finanziell langfristig abgesichert ist: „Die derzeitige Finanzierung vieler Projekte mit jährlich erneuerten Verträgen schafft Unsicherheit – es braucht eine stabile, nachhaltige Finanzierung“, so die Vertreter*innen der Organisationen unisono. Wichtig sei auch der weitere Ausbau von Angeboten, die an unterschiedlichen Stellen ansetzen: 

  • Drug Checking: Substanzen auf Inhaltsstoffe und Wirkstoffgehalt analysieren lassen
  • Take-Home-Naloxon: Verfügbarkeit von Naloxon zur Verhinderung von tödlichen Überdosierungen
  • Spezialisierte Notschlafstellen: Angepasste Unterkünfte für suchterkrankte Menschen
  • Safer-Use-Angebote: Maßnahmen zur Risikominimierung beim Konsum
  • Niedrigschwelliger Zugang zu medizinischer und psychosozialer Versorgung: Einfache Anlaufstellen für Konsumierende
  • Beschäftigungsangebote: Strukturen zur beruflichen (Re-)Integration
  • Angebote für pflegebedürftige Menschen mit Suchterkrankung, Anpassung der Pflegeeinrichtungen an die Bedürfnisse suchtkranker Menschen
Aktionstag in Graz am 21. Juli 

In Graz wird das Team des Caritas Kontaktladens am 21. Juli von 12:00 bis 16:00 Uhr am Hauptplatz der Verstorbenen gedenken. Die Mitarbeiter*innen bieten für Angehörige sowie Interessierte einen Raum des Austauschs. Informationsmaterial, Gesprächspartner*innen und Vertreter*innen der Suchthilfe stehen bereit, um aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen. Ähnliche Aktionen finden beispielsweise in Wien, Klagenfurt, Innsbruck oder Wels statt.

Caritas Kontaktladen: Niederschwellige Suchthilfe in Graz 

Der Kontaktladen sowie die aufsuchende Straßensozialarbeit (Streetwork) und sozialarbeiterische Einzelbetreuung bilden die drei tragenden Säulen der Caritas-Suchthilfe. Die Einrichtung verfolgt einen akzeptanzorientierten Ansatz, um Betroffene bestmöglich zu unterstützen und langfristig gesundheitliche Risiken zu reduzieren.

Der Internationale Gedenktag 

Ist aus Sicht der Organisationen ein wichtiger Schritt in Richtung eines gesellschaftlichen Umdenkens – doch zur wirklichen Entstigmatisierung und Verbesserung der Situation suchtkranker Menschen braucht es eine konsequente Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen.

Weitere Informationen:

 

* Für das gemeinsame Gedenken an verstorbene Drogengebraucher*innen am 21. Juli haben sich zusammengeschlossen:

  • Anton Proksch Institut - API Treffpunkt 1050
  • b.a.s. Steirische Gesellschaft für Suchtfragen
  • Caritas der Diözese Graz-Seckau
  • Caritas Vorarlberg – Fachbereich Suchtarbeit
  • Dachverband der ambulanten Suchthilfeeinrichtungen Steiermark
  • do it yourself Bludenz
  • Dialog - Individuelle Suchthilfe
  • Drogenarbeitskreis Tirol
  • Drogenberatung VIVA & Drogenstreetwork der Stadt Klagenfurt a. Ws.
  • gabarage manufacture – Verein für die nachhaltige Lösung sozialer, ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen
  • Elternkreis Wien
  • Haus R3, Arbeiter-Samariter-Bund Wien
  • Hilfswerk Steiermark GmbH, Psychosoziale Dienste
  • I.K.A. – Interdisziplinäre Kontakt- und Anlaufstelle Graz
  • pro mente OÖ Geschäftsfeld Sucht
  • PSN Psychosoziales Netzwerk gemeinnützige GmbH
  • Psychosozialer Dienst Burgenland – Soziale Dienste Burgenland
  • Sozialverein B37
  • Substanz – Verein für suchtbegleitende Hilfe
  • Suchtberatung Caritas der Diözese St. Pölten
  • Suchtberatung und Suchtprävention der Stadt Wels
  • Suchtberatung Obersteiermark
  • Suchthilfe Salzburg
  • Suchthilfe Wien
  • Schweizer Haus Hadersdorf