Oliver schließt die Augen. Die Maschine ist zum Starten bereit ist, sie rollt ruhig über den Asphalt des Flugfelds in Wien Schwechat und nimmt rasch an Geschwindigkeit auf. Zum ersten Mal in seinem Leben sitzt der 39-jährige Wiener in einem Flugzeug. Über die Drogenrehabilitations-Einrichtung Schweizerhaus Hadersdorf ist er zum Homeless World Cup Nationalteam gekommen. Lange Jahre ist es – bedingt durch seine Suchterkrankung – in seinem Leben bergauf und bergab gegangen. Nun hebt er ab, um Österreich beim IX. Homeless World Cup von 21. bis 28. August in Paris zu vertreten.
Der Homeless World Cup setzt auf Fußball bei der Wiedereingliederung von Menschen vom Rand der Gesellschaft – ehemals Alkohol- oder Drogenabhängige, Obdachlose, StraßenzeitungsverkäuferInnen, Flüchtlinge oder Slum-BewohnerInnen von Delhi bis Buenos Aires, von Nairobi bis Mexico City.
48 Herrenteams und 16 Damenteams werden sich bis kommenden Sonntag auf drei Streetsoccer Courts am Champ de Mars im Schatten des Eiffelturms matchen und die neuen Weltmeister küren. In beiden Bewerben wird der Titel von Brasilien gehalten, sowohl die Damen als auch die Herren waren im Vorjahr in Rio de Janeiro nicht zu schlagen. Samstag am Abend findet im Stade de France die Vorrunden-Auslosung statt. Österreich wird als aktuell 17. der Weltrangliste aus dem dritten von sechs Töpfen gelost. Der ehemalige französische Teamspieler und Arsenal-Legionär Emmanuel Petit spielt das Glücksengerl.
Langsam löst sich Olivers Anspannung und er macht den Eindruck, als würde er seinen ersten Flug genießen können. „Ich habe mir das Ziel gesetzt, beim Homeless World Cup dabei zu sein und jetzt habe ich es auch geschafft. Ich glaube, dass das für mein weiteres Leben sehr wichtig ist.“ Das von Ex-ÖFB-Teamspieler Gilbert Prilasnig und Coach Klaus Fuchs gebildete Team besteht aus acht Spielern. Vier davon sitzen zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Flugzeug.
Einer von ihnen ist Saša. Der 26-jährige Wiener ist der Torwart der Truppe. Er kam mit 15 aus Serbien nach Österreich, begann eine Lehre als Bauspengler, die er aber abbrach, weil er immer tiefer in die Drogensucht abglitt. Seit Mai des Vorjahres ist er beim Anton Proksch Institut in Therapie. Er ist seit dieser Zeit abstinent und holt jetzt auch seinen Lehrabschluss nach.
Für seinen Auftritt in Paris holte sich Saša noch Tipps von Rapid-Torhüter Helge Payer. Sponsor Coca-Cola vermittelte ein Spezial-Training in Hütteldorf. „Er hat mir viel über Stellungsspiel und Fangtechnik verraten, entscheidend ist auch die richtige Körperhaltung. Ich habe ihm erzählt, dass ich neben dem Fußball auch Thai-Boxen betreibe. Er hat gesagt, dass er einmal mitgehen will, um das auch zu probieren.“
Saša spielt erst seit einem Jahr Fußball. „Ich hab den Film Kick Off über das österreichische Homeless World Cup Team in Melbourne gesehen. Das hat mich derart motiviert, dass ich immer besser werden wollte. Nun spiele ich mit den Kollegen in der Therapie und eben auch hier im Nationalteam. Es ist für mich eine große Sache für Österreich zu spielen.“
Let’s Kick Off Homelessness!
Alle Spiele der Österreicher sind als Streams im Internet zu sehen auf www.homelessworldcup.org bzw. auf www.laola1.tv, www.sport10.at, www.kleinzeitung.at.
Public Viewing zum Homeless World Cup, Franziskanerplatz in Graz, 21. bis 28. August, 19 bis 22 Uhr, Eintritt frei.
Fotos: Caritas, kostenloser Download unter:
http://filetransfer.caritas-steiermark.at/download.php?id=baC8be0C8C&name=20110819_20_selections