Graz, am 12. April 2011
Sehr geehrte Frau Landesrätin!
Die Landesregierung ist offensichtlich entschlossen, die Tagsätze für Pflege, Begleitung und Betreuung der BewohnerInnen in den Pflegeheimen im Jahr 2011 nicht zu erhöhen.
Und das, obwohl zur gleichen Zeit die Bundesregierung in Inseraten plakatiert, dass die "Pflege gesichert" sei und mit den Ländern einen Pflegefonds mit € 685 MIO für die Mehrkosten der Pflege als Unterstützung bis 2014 eingerichtet hat.
Als gemeinnützige Träger fühlen wir uns dem Auftrag der Landesregierung verpflichtet, alten Menschen einen Lebensabend in Würde zu ermöglichen.
Mit den vom Land Steiermark festgelegten Tagsätzen müssen wir die Gehälter unserer MitarbeiterInnen, Krankenkassenbeiträge und Steuern zahlen, sowie Errichtungs-, Miet- und Betriebskosten für die Pflegeheime sowie alles, was sonst noch für den Betrieb eines Pflegeheimes vorgeschrieben ist, begleichen.
Ohne die bereits vor der Landtagswahl fast fertig verhandelte faire Tagsatzerhöhung sind Caritas und Volkshilfe nun gezwungen, bis Ende des Jahres 2011 einen Betrag von rund € 1,8 MIO quer über alle Pflegeheime einzusparen. Im Schnitt bedeuten die Sparmaßnahmen, dass es pro Pflegewohnhaus ungefähr einen Dienstposten weniger geben wird. Somit gibt es pro Haus bis zu 1.784 Stunden Zuwendung und Pflege für die BewohnerInnen pro Jahr weniger.
Die Kosten unserer Pflegeheime bestehen zu rund 70 % aus personalbezogenem Aufwand, dh. es bleibt keine andere Wahl, als einen großen Teil der nun fehlenden Gelder auch bei den MitarbeiterInnen einzusparen (Errichtungskosten, Mieten und Betriebskosten werden in keinem Fall billiger).
Einsparungen klingen für Sie und all jene, die sich zu dieser Maßnahme entschlossen haben ja nicht schlimm, weil Volkshilfe und Caritas auch nach Kürzung über der gesetzlichen Personalschlüsselverordnung aus den Anfängen der 90iger Jahre liegen könnten. Sie übersehen aber, dass in einem gut geführten Pflegeheim der Personalschlüssel über dem gesetzlichen Standard kalkuliert werden muss, um Zeiten für Weiterbildungen, Urlaube, Krankenstände der MitarbeiterInnen etc. entsprechend absichern zu können. Wer das nicht berücksichtigt, würde von der staatlichen Pflegeaufsicht zu Recht mangelnder Qualität und unternehmerischer Vorausschau gescholten werden.
Schon seit Jahren hinkt der Personalschlüssel in der Steiermark dem österreichischen Durchschnitt hinterher. Caritas und Volkshilfe kritisieren das seit langem. Der Personalschlüssel in der Pflege ist fast 20 Jahre alt. Die Anforderungen an die persönlich stark fordernde und fachlich schwierige Arbeit haben sich aber seit dem Beginn der 90iger Jahre des vorigen Jahrhunderts massiv verändert.
Durch die nun geplanten Sparmaßnahmen droht die Pflegequalität zu ungunsten der zu betreuenden Menschen weiter vermindert zu werden. Ergebnis dieser Maßnahme wäre es nur, wertvolle Errungenschaften für ein Altern in Würde zu zerstören und zu einer Pflege nach dem Motto „warm, sauber und satt“ zurück zu kehren. Es ist für uns undenkbar, dass dies der politische Wille des Landes Steiermark ist.
Wenn die Politik Pflege zukunftsorientiert sichern will, darf sie nicht Tagsätze kürzen, sondern muss den Personalschlüssel ausbauen und vor allem Pflege, Begleitung und Betreuung alter Menschen entsprechend entbürokratisieren. Gerade hier gibt es Möglichkeiten Kosten zu senken sowie Geld und Ressourcen einzusparen!
Sehr geehrte Frau Landesrätin,
Wir ersuchen Sie dringend, das kurz vor der Landtagswahl mit Ihrem Vorgänger unter Anwesenheit aller öffentlichen und privaten Dachverbände, der Fachabteilung und dem Präsidenten des steirischen Städtebundes verhandelte Ergebnis zum Tagsatz 2011 - dessen Protokoll bei Ihnen aufliegt - umzusetzen. Das ist im Hinblick auf die zwischenzeitlich von der Richterin der Schlichtungsstelle festgelegte Empfehlung an Sie, eine Tagsatzerhöhung umzusetzen, ein wirklicher Kompromiss und zeigt auf, dass auch uns Trägern klar ist, dass wir einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushaltes leisten wollen.
Eine öffentliche Debatte um Pflege und Betreuung, die sich in Wahrheit nur um die Finanzierungsfrage dreht, stellt der politischen Gestaltungskraft unseres Landes kein gutes Zeugnis aus. So haben wir uns die von Ihnen am 3.2.2011 angebotene Reformpartnerschaft nicht vorgestellt.
Wir brauchen eine Reformpartnerschaft, die über eine Einsparungsdebatte hinausgeht und:
+ mittel- bis langfristige Perspektiven entwickelt
+ die Herausforderungen, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt, annimmt
+ partnerschaftliches Zusammenwirken von privater Gemeinnützigkeit und öffentlicher
Verantwortung zeigt
+ uns nicht mitten im Reformprozess die Luft abdreht!
"Yes, we care - but together."
Es grüßen Sie
Franz Küberl Franz Ferner
Caritasdirektor GF Volkshilfe Steiermark