Katholische Einrichtungen sprechen sich gegen allgemeines Bettelverbot aus!
Die Caritas der Diözese Graz-Seckau, die Katholische Aktion Steiermark und das Welthaus der Diözese Graz-Seckau richten den dringenden Appell an den Landtag Steiermark, dass am 9. Februar 2011 im Unterausschuss des Ausschusses Daseinsvorsorge kein Beschluss gefasst wird, dass jedwede Art von Bettelei als Verwaltungsübertretung zu werten ist.
Begründung:
- Es kann davon ausgegangen werden, dass das in der Steiermark geplante generelle Bettelverbot vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten wird. Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Erkenntnis vom 5. Dezember 2007 (GZ V41/07) festgehalten, dass passives, stilles Betteln vom Schutzbereich des Art. 8 EMRK umfasst ist. Nachdem die Bettelverbote von Salzburg und Wien dzt. beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind, sollten die diesbezüglichen Entscheidungen abgewartet werden.
- Die derzeitige Gesetzeslage in der Steiermark sieht für das Verwaltungsdelikt des Bettelns schon jetzt den höchsten Strafrahmen in ganz Österreich vor. Mit einer Verwaltungsstrafe von 2.000 Euro kann belegt werden, wer sich durch aufdringliches Betteln (Anfassen), unaufgefordertes Begleiten und Beschimpfen oder durch die Veranlassung bzw. Mitführung minderjähriger oder unmündiger Personen zum Betteln bemerkbar macht. Wir halten daher die derzeit durch das Steiermärkische Landessicherheitsgesetz bestehende rechtliche Handhabe, um gegen aggressives Betteln, Kinderbettelei und gewerbsmäßiges Betteln vorzugehen, für ausreichend. Gegen organisierte Formen der Bettelei, bei denen Menschen von anderen ausgebeutet werden, sollte auf alle Fälle im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten vorgegangen werden.
- Ein Verschieben des Beschlusses würde dem Unterausschuss Gelegenheit geben, eine geeignete Expertise einzuholen. Neben der Einbeziehung von Verfassungs- und Menschenrechtsexperten sowie der Polizei bieten wir als Caritas, Katholische Aktion und Welthaus gerne unsere Expertise an.
Die unterzeichneten Organisationen sind überzeugt davon, dass ein generelles Verbot der Bettelei das Problem der Armut nur verschärft und nichts zur Verbesserung der sozialen Lage der Betroffenen beiträgt.
Die Mitglieder der Europäischen Union haben sich dazu bekannt, die Armut in ihren Staaten zu bekämpfen. Diese Armutsbekämpfung wird auch davon abhängen, ob sich die Nachbarn dafür interessieren, wie intensiv dieser Kampf geführt wird (Österreich gegenüber Slowakei, Österreich gegenüber Ungarn etc.). Denn selbstverständlich kann die soziale Lage der Roma (die den Großteil der in der Steiermark bettelnden Personen darstellen) nur in den Herkunftsländern der Bettler selbst gelöst werden. Dazu ist ein Zusammenwirken aller Mitgliedsländer der Europäischen Union vonnöten. Die Steiermärkische Landesregierung könnte im Auftrag des Steiermärkischen Landtages gegenüber den EU-Mitgliedsländern diesbezüglich aktiv werden, um so die soziale Lage der Roma zu verbessern.
Ein generelles Bettelverbot bekämpft die Armen und nicht die Armut. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung in der Steiermark und in der Menschenrechtsstadt Graz hier keine Zeichen zu setzen, die in eine gegenläufige Richtung verweisen und arme Menschen, die keinen anderen Ausweg mehr sehen, als um milde Gaben zu betteln, aus dem Blickfeld und in die Kriminalität drängen.
Wir möchten darauf hinweisen, dass von Seiten der Katholischen Kirche in der Steiermark bereits in den letzten Jahrzehnten viel zur Unterstützung der Bettler/Bettlerinnen getan wurde:
- Essensausgabe im Marienstüberl
- Nächtigungsmöglichkeit in Einrichtungen der Vinzenzgemeinschaft
- Roma-Projekte von Caritas und Welthaus in den Herkunftsländern der Bettler
- Bewusstseinsarbeit der Kath. Aktion im Sinne von Menschenrechten und Menschenwürde
Angesichts der Begründungen und durch die Erfahrung aus den Hilfsmaßnahmen von Kirche und Zivilgesellschaft sind wir davon überzeugt, dass ein generelles Verbot der Bettelei für die Betroffenen selbst keinerlei Verbesserung bringt.
Wir ersuchen Sie daher noch einmal, sich dafür einzusetzen, dass in der Unterausschusssitzung am 9. Februar 2011 kein Beschluss zur Novellierung des Landessicherheitsgesetzes in Richtung eines allgemeinen Verbotes der Bettelei gefasst wird. Zuerst sollten die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zu Wien und Salzburg vorliegen und Expertenmeinungen eingeholt werden.
Gezeichnet:
Franz Küberl
Caritasdirektor
Mag. Hans Putzer
Präsident der Katholischen Aktion
Mag. Dietmar Schreiner
Geschäftsführer Welthaus