Univ.-Prof., Dr. phil. Peter Strasser
Die Sucht nach Lebendigkeit, Ein erweiterter Drogenbegriff
Es gibt heute einen Zombie-Kult. In dessen vergnüglichem Grusel spiegelt sich aber auch unsere Angst, lebendig tot zu sein. Menschen neigen dazu, unter Zuständen der Leblosigkeit zu leiden, von der bohrenden Langweile bis zur tödlichen Depression. Lebendigkeitssteigernde Mittel gehören daher seit jeher zur menschlichen Kultur. Solche Mittel sind – streng genommen – Drogen, denn sie erzeugen Sucht: Man will sich wieder und wieder lebendig fühlen. Beim Kampf gegen jene Drogen, die wegen ihres aggressiven Einwirkens auf Organismus und Psyche nicht toleriert werden, wird leicht übersehen, dass unsere postmodernen Gesellschaften keine nachhaltige Lebendigkeitskultur generieren. Klassisch „existenzielle Drogen“ – sei es die Religion, ein politisches Heilsprogramm oder die bürgerliche Selbstverwirklichung – sind passé. Hingegen bleiben spirituelle Techniken, glamouröse Inszenierungen oder Extremsportarten nur kleinen Gruppen aus der großen Masse zugänglich. Das rasche Abgleiten in zerstörerische Suchtmittel, beginnend bei den Partydrogen, ist Symptom einer zivilisatorischen Krise, unter der besonders junge Menschen leiden.