Die Ambivalenz von Risikoverhalten - zwischen Vermeidung und Angstlust

Dr. Stefan Sinz

Im gesundheitspolitischen Kontext wird Risikoverhalten als Verhalten definiert, das nachteilige gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann. Oft wird nur auf die individuellen Komplikationen (z.B. Verletzungen) fokussiert, seltener werden Gefahren, die über das Individuum hinausgehen (z.B. Gefährdung anderer) thematisiert.
Bei der Diskussion über riskantes Verhalten wird meist auf die Vernunftebene hingewiesen und Vermeidung empfohlen, als wäre der Mensch ein ausschließlich vernunftgetriebenes Wesen...
V.a. in der Populärkultur zeigt sich aber eine Verherrlichung von risikoaffinen Menschen (z.B. Extrembergsteiger).
Damit rückt der Begriff „Angstlust“ in den Fokus: Einerseits kann Lust sekundär entstehen nach dem Aushalten, Überstehen des angstbesetzen, risikoreichen Erlebnisses (z.B. nach Mutproben).
Andererseits kann auch die Angst selbst als Genuss empfunden werden. So beschreiben Extremsportler ein High-Gefühl im Moment der größtmöglichen Gefahr.
Risikoverhalten bietet also zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten.

Im Workshop soll das Thema möglichst breit und mit eigenen Erfahrungen diskutiert werden. Die Verbindung mit dem Thema Sucht soll herausgearbeitet werden, etwa der Probekonsum als Initiationsritus Jugendlicher in einer scheinbar durchregulierten, risikominimierenden Erwachsenenwelt. Mechanismen der Entstehung von Lust beim süchtigen Verhalten könnten sein: biochemisch-pharmakologisch, psychodynamisch (narzisstische Komponente), auf Basis einer Besonderheit der Persönlichkeit (dissoziale Komponente), sozial (Peer-group), politisch (Ausdruck des Widerstandes), sexuell (Chemsex) u.a..